Business & Finanzen (2000)

Payback

Ausgezeichnet ist die Firma "Loyalty Partner" für ihre "PAYBACK"-Karte.
Laudator.in:
Rena Tangens am Redner.innenpult der BigBrotherAwards 2021.
Rena Tangens, Digitalcourage

Der BigBrotherAward der Kategorie "Business & Finanzen" und damit der Hauptpreis geht an die Loyalty Partner Gesellschaft für Kundenbindungssysteme mbH in München für die Payback Karte ein Bonuspunkte-Sammelsystem. Payback kommt als Rabattkarte daher, dient aber einzig dazu, personalisierte Daten zum Kaufverhalten von Tausenden von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu gewinnen und kommerziell zu nutzen, ohne daß diese darüber informiert werden.

Gründe

Mit PAYBACK haben wir keinen spektakulären konkreten Fall von Datenmißbrauch nominiert. Sondern wir wollen mit dieser Nominierung die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen, daß hier mit riesigem Werbeaufwand und großer Reichweite -- PAYBACK strebt nach eigenen Angaben 12 Millionen Kunden an -- eine äußerst gefährliche Struktur aufgebaut wird. Mit dieser werden die Konsumgewohnheiten von Bürgerinnen und Bürgern ausgeforscht, ausgewertet und auf unabsehbare Zeit gespeichert.

Um was geht es da eigentlich?

Wir erleben zur Zeit eine Wiederauferstehung aller möglichen altmodischen Einrichtungen in neuem, technisch aufgepeppten Gewand: Tischtelefone als Short Message auf dem Mobiltelefon, das Kaffeekränzchen als Chat im Internet, der Ramschladen als Online- Auktion.

Und nun hat auch das alte Rabattmarkenheft ein modernes Pendant gefunden: Die PAYBACK-Karte. Unter dem PAYBACK-Motto "Leben bringt Punkte" machen wir uns auf den Weg. Egal ob beim Surfen mit AOL, beim Tanken bei DEA, beim täglichen Shopping im Realmarkt um die Ecke oder abends im Kino - das kleine handliche Plastikkärtchen Payback ist überall dabei. Und überall, wo es vorgelegt wird, gibt es Rabatt in Form von Payback-Bonuspunkten. Den eigenen Punktestand kann man bei einer Hotline abfragen und ab einem bestimmten Betrag sich aufs Konto überweisen lassen.

(Ich stelle mir vor, daß in naher Zukunft, wenn das Rabattgesetz abgeschafft ist, die Kunden dann mit der Verkäuferin nicht nur um Preisnachlaß, sondern auch noch um Payback-Punkte feilschen werden...)

Payback-Partnerunternehmen gibt es in allen Bereichen des täglichen Lebens:
Der Onlinedienst AOL, Apollo-Optik, Consors (Online-Broker), DEA Tankstellen, dm-Drogeriemarkt, Europcar (Autoverleih), Flowers.de (Blumenhandel), FTI Touristik, Galeria Kaufhof, IhrPreis.de, Lion.cc (Bücher, CDs, DVDs, Videos), Palmers (Dessous), real,- (Supermarkt), RWE (Stromversorger) UFA (Kinos), Zebralino (Kinderspielzeug).
Das klingt alles nach einer netten und praktischen Idee für die Verbraucherinnen und Verbraucher --

Also, was haben wir an diesem System auszusetzen? Warum genau haben wir Loyalty Partner und ihre Payback-Karte nominiert?

Loyalty Partner bekommen den Big Brother Award 2000:

  1. ... für das Erheben, Sammeln und Verarbeiten einer Unmenge persönlicher Daten, die für eine Rabattgewährung nicht nötig sind, aber zum Erstellen von Konsum- und Persönlichkeitsprofilen geeignet sind.
  2. ... für das "Erschleichen" von Einverständniserklärungen ihrer Kundinnen und Kunden zur Sammlung, Verarbeitung, Nutzung und Weitergabe ihrer Daten.
  3. ... für Werbeaktionen in Zusammenarbeit mit ihren Partnerunternehmen, die auf die Spielleidenschaft von Menschen abzielen und den Eindruck vermitteln, daß hier ganz besondere Schnäppchen zu machen wären.
  4. ...für das Verschleiern der Firma, die verantwortlich hinter dem Payback System steht - eben die Loyalty Partner Gesellschaft für Kundenbindungssysteme. Der "Payback Rabattverein e.V. in Stuttgart", der im Impressum der payback-Web-Seiten steht 1, ist im Stuttgarter Vereinsregister gar nicht eingetragen (wohl aber in München). Auch aus der schriftlichen Korrespondenz mit Kunden geht keine korrekte Firmenadresse hervor.
  5. ... für das Verschweigen ihres eigentlichen Geschäftszweckes, nämlich die Gewinnung von personalisierten Kundenprofilen und deren Vermarktung zu Werbe-, Marketing- und Marktforschungzwecken.

Während das gute alte Rabattmarkenheft nur Auskunft darüber gab, für welchen Betrag ich im Laufe der Zeit eingekauft habe und die Auszahlung anonym erfolgte, ist mit dem modernen System der Transfer einer ungeheueren Menge Daten verbunden.

Einige Fakten zu den Vorwürfen gegen PAYBACK:

zu 1.

  • Es werden bei der Anmeldung Daten erhoben, die für den Vorgang der Rabattgewährung nicht benötigt werden: Geburtsdatum, Email-Adresse als Pflichtfelder; Telefon- und Mobiltelefonnummer, Titel etc. als sogenannte freiwillige Angaben. (Nur wer die "freiwilligen" Angaben auch macht, nimmt an einem Preisausschreiben teil.)

  • Die Daten, die bei jedem Kauf mit Payback-Rabatt-Karte bei den einzelnen Geschäften anfallen, werden an Payback bwz. ein von ihnen beauftragtes Unternehmen übertragen, dort verarbeitet und gespeichert. Welche Daten das genau sind, wird in den Teilnahmebedingungen nicht spezifiziert. Wir müssen demnach annehmen, daß keineswegs nur die Rabattpunkte, sondern alle anfallenden Daten gespeichert werden: Ort, Datum, Uhrzeit, die genaue Auflistung aller gekauften Artikel (z.B. Sheba-Katzenfutter, Du-darfst-Diätmargarine, Cosmopolitan Magazin -- oder: Kondome, Wecker, Puderzucker, Dünger, Draht, Batterien und Blitzbirnchen) und Zahlungsweise, ggfs. auch noch Bankverbindung oder Kreditkarte. Mindestens alles das, was bisher schon auf dem Kassenbon steht. Neu ist, daß mit der Payback-Karte all diese Daten nun plötzlich einer Person bzw. einem Haushalt zuzuordnen sind. Und Daten aus unterschiedlichen Quellen, nämlich den Partnerunternehmen, bei Payback zusammenlaufen.

  • Daß diese Daten zusammengefaßt, ausgewertet und weiterverarbeitet werden, läßt sich auch aus den aktuellen Stellenanzeigen von Loyalty Partner unschwer ersehen: Gesucht werden u.a. Datenbankspezialisten, die "fundierte Kenntnisse im Umgang mit Data Mining Werkzeugen" haben.

  • Es ist völlig unklar, wo die Daten gespeichert werden, wie lange die Daten aufbewahrt, wie sie verarbeitet und an wen sie weitergegeben werden: Laut Teilnahmebedingungen u.a. an alle beteiligten Partnerunternehmen. Die Liste der Partnerunternehmen aber ist nicht begrenzt, sie wächst beständig.

  • Je mehr Unternehmen sich bei Payback anschließen und je häufiger die Karte genutzt wird, desto umfangreicher wird das Konsumentenprofil, das bei Payback gespeichert wird.

zu 2.

  • Über diese Begleiterscheinungen ihrer Rabattsammelfreude werden die Kundinnen und Kunden nicht informiert. Die Teilnahmebedingungen sind als Kleingedrucktes nahezu unleserlich gestaltet (Beim Brief: grau gedruckt auf der Rückseite des Anschreibens; im Web bei der Anmeldung in einem briefmarkengroßen Fenster zum scrollen; der Text läßt sich nur hellgrau = unlesbar auszudrucken).

  • Die PAYBACK Anmeldung erzwingt die Zustimmung zur Nutzung der Daten zu Werbe- und Marketingzwecken. Ohne diese Zustimmung ist es offensichtlich nicht möglich, in den Genuß der angepriesenen Rabatte zu kommen.

  • Payback-Karten werden mittlerweile von Partnerunternehmen (z.B. dem Stromversorger RWE) ungefragt zuschickt. Mit der ersten Nutzung werden automatisch die Teilnahmebedingungen anerkannt.

zu 3.

  • Es wird den Kundinnen und Kunden suggeriert, daß sie besondere Schnäppchen machen könnten. (z.B. durch Preisausschreiben nur für Payback-Kunden; oder: Anmeldung bei Payback über AOL bringt automatisch 2000 Punkte). Damit wird versucht, kritisches Nachdenken auszuschalten.

  • Es wird den Kundinnen und Kunden suggeriert, daß sie als Payback- Kunden besonderen Service beanspruchen können: z.B. die Dessous-Firma Palmers wirbt mit dem "Only for you"-Service für PAYBACK-Kunden: Falls ein Artikel nicht in passender Größe im Laden vorhanden ist, versuchen sie ihn aus anderen Filialen heranzuschaffen. Wir haben es nicht im Selbstversuch überprüft, aber wir nehmen an, daß Palmers diesen freundlichen Service auch Kundinnen ohne Rabattkarte nicht verweigern würde...

zu 4.

  • Für die Kundinnen und Kunden ist nicht ersichtlich, mit welcher Firma sie nun eigentlich zu tun haben. Im Impressum der WWW-Seiten von payback.de steht der "Payback Rabattverein e.V., Industriestrasse 5, 70565 Stuttgart". Laut Auskunft des Registergerichts in Stuttgart ist dieser Verein dort allerdings gar nicht eingetragen. (wohl aber in München)

  • Nur durch beharrliches Nachforschen ist herauszufinden, daß hinter PAYBACK die Firma Loyalty Partner Gesellschaft für Kundenbindungssyteme mbH in München steckt. Hauptanteilseigner (67%) dieser Firma ist wiederum die Lufthansa Commercial Holding GmbH.

zu 5.

  • In den PAYBACK Kundeninformationen geht es stets nur um Spass beim Einkaufen und Sparen. Erst die Tätigkeitsbeschreibung der Loyalty Partner GmbH wird deutlicher: Eine Kernleistung der Firma sei die "Unterstützung der Firmenkunden bei ihren Marketingbemühungen (Kundensegmentierung, Mailings, Internetansprache)".

  • Die Bitte einer Fachzeitschrift um Stellungnahme zur Frage des Datenschutzes bei PAYBACK blieben unbeantwortet.

Fazit:

Wir stellen fest, daß weder Transparenz noch Achtung der Privatheit ihrer Kunden Anliegen von PAYBACK sind.

PAYBACK wünscht ganz offensichtlich Kunden, die nicht dumm zurückfragen, sondern brav und regelmäßig ihre Daten abliefern -- wer das nicht will, bekommt keinen Rabatt bei seinen täglichen Einkäufen.

Wir meinen: Kundenbindung durch Rabattgewährung ist o.k. -- doch Kundenbindung lebt auch von Vertrauen. Eine Firma aber, die so wenig Transparenz über ihre Geschäftspraktiken pflegt, verdient kein Vertrauen -- sondern den Big Brother Award!

Weitere Informationen finden Sie hier.

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Updates zu diesem Preisträger

Laudator.in

Rena Tangens am Redner.innenpult der BigBrotherAwards 2021.
Rena Tangens, Digitalcourage
Quellen:

1 Inzwischen (01. November 2000) ist das Impressum der Seiten modifiziert und mit dem korrekten Sitz des Vereins versehen. Diese Änderung ist nicht kenntlich gemacht; das Aktualisierungsdatum ist dort nicht ersichtlich.

Über die BigBrotherAwards

Spannend, unterhaltsam und gut verständlich wird dieser Datenschutz-Negativpreis an Firmen, Organisationen und Politiker.innen verliehen. Die BigBrotherAwards prämieren Datensünder in Wirtschaft und Politik und wurden deshalb von Le Monde „Oscars für Datenkraken“ genannt.

Ausgerichtet von (unter anderem):

BigBrother Awards International (Logo)

BigBrotherAwards International

Die BigBrotherAwards sind ein internationales Projekt: In bisher 19 Ländern wurden fragwürdige Praktiken mit diesen Preisen ausgezeichnet.